Es wäre sehr gut, den Probewagen mit solchen elektrisch zu beleuch- ten; die preußischen Bahnen steuern auf diese Frage los…“ Doch die Triberger Geschäftsführung warnt, verlangt, solange zuzuwarten bis die Ludwigshafener Eisenbahnverwaltung die EGT-Akkus gleichfalls als gut einstuft und diesbezüglich ihren offiziellen Bericht vorlegt. Bereits jetzt zu Probefahrten nach Ludwigshafen einzuladen, sei für die weite- re Unternehmensentwicklung geradezu gefährlich. Holpriger Start bei den Probefahrten in München Was in Ludwigshafen so verheißungsvoll beginnt, startet ausgerechnet in München – der Heimat von Friedrich von Schoen und Carl von Linde – mehr als „holprig“: Die dort eingebauten Akkumulatoren verfügen nach Darstellung des Sachverständigen der Betreibergesellschaft über zu wenig Kapazität. Von Schoen berichtet am 30. Oktober nach Triberg: „Herr Schneider muß wohl oder übel zur Nachmessung und Untersu- chung der Sache hierbleiben, da sie sehr wichtig ist. Herr Uppenborn (der Münchner Sachverständige, d. Autor) will begreiflicherweise kei- nen Akkumulator bestellen, der im Laboratorium nicht einwandfrei ist. Es wird sich zeigen müßen, ob die Schuld an der Gasung liegt oder an der zu geringen Größe der Löcher der perforierten Wände, oder daran, daß die Platten zu nahe beieinandersitzen.“ Die Triberger Geschäfts- führung beruhigt, die Elemente seien zu neu, noch nicht oft genug geladen worden – die entsprechende Kapazität stelle sich erst nach der sechsten Formierung ein. Sie verweist auf die in Ludwigshafen ge- machten Erfahrungen, die rundum positiv ausfallen. Die 1876 als Pferdebahn eröffnete Münchner Trambahn beginnt die Elektrifizierung im Jahr 1895 mit einer Oberleitung. Doch die „Verdrah- tung des Stadtbildes“ gerät mehr und mehr zum Ärgernis, es kommt zum massiven Protest namhafter Bürger und Künstler. Schließlich ringt sich München zum gemischten Betrieb durch, was bedeutet: Die Stra- ßenbahn bezieht ihren Strom teilweise von der Oberleitung und ist im historischen Innenstadtbereich mit Akkumulatorenbetrieb unterwegs. Die Akkumulatoren der EGT werden in einen Wagen der Union Elektrizitäts Gesellschaft (UEG) mit Sitz in Berlin eingebaut, jener Fabrik, mit der sich Friedrich von Schoen eine intensive Zusammen- arbeit erhofft. Über die Fahrversuche am 5. Dezember 1897 berichten die Münchner Neuesten Nachrichten: „Gestern Nachmittag fand die offizielle Probefahrt mit einem Akkumulatorenwagen der Elektrizitäts- gesellschaft Triberg zwischen Färbergraben und Isartalbahnhof statt. Die Fahrt fiel zur Zufriedenheit aus und waren verschiedene Interes- senten und die Direktion der Trambahn-Aktiengesellschaft nebst Sach- verständigen anwesend. Oberingenieur Schneider (Triberg) erläuterte das eigenartige System der Akkumulatoren der Elektrizitätsgesellschaft Triberg, was allgemeines Interesse erregte. Es laufen von obiger Gesell- schaft auch reine Akkumulatoren-Wagen, eingerichtet als Trambahnwa- gen, ohne ober- oder unterirdische Stromzuführung, sowie seit einigen Tagen ein Vollbahnwagen auf der Pfälzischen Eisenbahn.“ Fünf Monate später, im Mai 1898, zieht Ingenieur Pedro Reitz, Elek- trotechniker der Münchner Trambahn-Aktien-Gesellschaft, eine erste Bilanz der Versuche. Er vergleicht die Trambahnwagen mit den Num- 118 Zur Gründungsgeschichte der EGT mern 29 bis 31, die mit den Akku-Systemen der Firmen Pollack, EGT und Hagen unterwegs sind. Die EGT beschleunigt den Trambahnwagen Nr. 30 und schlägt sich mittelprächtig: Ihr Wagen hätte an 124 Tagen im Rahmen von je 25 ca. 2,6 Kilometer langen Touren 8.148 Kilometer leisten müssen. Geschafft hat er 3.985 Kilometer oder 49 Prozent. Das System Pollack erreichte 47 Prozent und das System Hagen erbrachte mit 62 Prozent die konstanteste Leistung. Der umfassende Bericht von Ingenieur Reitz zum Triberger Akku- mulator schildert im Detail die gemachten Erfahrungen, die zahlrei- chen Ausfälle und Bemühungen der EGT um einen ordentlichen Betrieb verschweigt er indes wohlwollend. Ebenso die regelmäßige Nachtarbeit des EGT-Monteurs, um den Betrieb von Wagen Nr. 30 am kommenden Tag gewährleisten zu können. Zur EGT heißt es: Störungen am Wagen Nummer 30 Am 19. Januar 1898 wurde konstatiert, daß die Kapazität der Batterie auf ein Zehntel herabgesunken war und zwar infolge einer unerprobten Neuerung bei der Herstellung der negativen Platten. Die Triberger Fabrik wechselte daher in der Zeit vom 6. bis zum 15. März die Batterie aus gegen eine neue. Die neue Batterie wurde am 22. April genau untersucht und es stell- te sich hierbei heraus, daß sich die Platten in einem tadellosen Zustand befanden, daß aber die Kapazität der Batterie auf 2,5 Amperestunden gefallen war, indem sich die negativen Platten mit einem unbekannten Körper überzogen hatten, der ihre Wirksamkeit verminderte. Um diesen Körper, wahrscheinlich ein von der Triberger Fabrik verwendetes Alkaloid, zu zerstören, wurde die ganze Batterie umformiert und unmittelbar darauf wieder formiert. Die hierauf angestellte Kapazitätsprobe ergab 16,6 Ampere- stunden und eine sehr günstige Entladungskurve. Neu hatte die Batterie nur 12 Amperestunden. Es ist nun abzuwarten, ob die jetzige hohe Kapazi- tät bestehen bleibt. An den Platten ist eine Veränderung nicht wahrzunehmen, die Triberger Batterie wiegt 1.000 Kilo, und hat der Wagen Nummer 30 stets, wenn es der Betrieb erforderte, ebenso Anhängewagen gezogen. Die Geschwindig- keit war bei der ersten Batterie gering (10 km/h) und ist nach der Umfor- mierung der zweiten Batterie auf 15 km/h gestiegen.“ Wie anfällig die frühe Akkumulatorentechnik generell ist, belegen die Münchner Versuche in aller Deutlichkeit – ein Bericht von Magistrat Alois Panzer liefert dazu zahlreiche Details. Da die Münchner Bahn mit der hohen Spannung von 600 Volt betrieben wird, bedingt das je Wa- gen den Einbau von 248 Akkumulatoren, die zu einer Batterie zusam- mengeschaltet sind. Alois Panzer betont, da ein Monteur täglich nicht mehr als 750 Bleiplatten kontrollieren und instandhalten könne, seien bei 120 Trambahnwagen wohl an die 40 Monteure und drei Ingenieure erforderlich, um die Bahn ordentlich am Laufen zu halten. Wörtlich schreibt er: „Daß diese Annahme keine allzu pessimistische ist, bewei- sen die drei Akkumulatorwagen, die mit verschiedenen Systemen aus- gerüstet probeweise dahier in Verwendung sind. Drei Monteure und drei Ingenieure sind tagaus, tagein um deren Schicksal schwer besorgt. Und die Behandlung, die diesen Wagen zuteil wird, erinnert so recht an die Wart und Pflege, die man einem schwächlichen, kränklichen Kinde angedeihen lässt.“