Martin gehört zum engsten Familienkreis, wird „Vet ter“ genannt. Und er bezeichnet sich auch selbst so, obwohl er bezogen auf Benedikts Kinder eigentlich der Onkel ist. Martin hilft seinem Bruder enorm, und er investiert das in England erwor be ne Vermö- gen als stiller Teilhaber in die Entwicklung des Unternehmens. In Martins Haus an der Rabenstraße können die Ketterers zudem eine Werkstätte zur Fertigung von Regula- toren einrichten, als es in der Fabrik an der Breg straße zu eng wird. Martin Ketterer bleibt ledig. Obwohl er als wohlhabend gilt, wirkt er als „Kirchen- fonds- und Sparkassenrechner“ im Dienst der Allgemeinheit, ist also nicht im Unterneh- men selbst tätig. Generationswechsel: Felix Ketterer übernimmt 1871 die Leitung der BKS Die Familie Ketterer hat acht Kinder, von denen sieben heranwachsen – Tochter Sofia stirbt ca. drei Monate nach ihrer Geburt. Alle Kinder sind zumindest in ihrer Jugend in die Fabrik eingespannt – auch die Töchter Karoline, Maria Wilhelmina, Luise Mathilde und Emma. Ebenso der jüngste Sohn Karl Ferdinand, der zweitälteste Emil und natür- lich der älteste: Felix Ketterer, den der Vater früh zum Nachfolger bestimmt und den er schon als jungen Mann eng in seine Entschei- dungen einbezieht. Als Benedikt Ketterer am 14. März 1871 im Alter von 66 Jahren stirbt, ist die Nachfolge somit geregelt – doch die Umstände seines Todes sind tragisch: Felix Ketterer befindet sich zu dieser Zeit nicht in Furtwangen, er kämpft als Soldat im eben zu Ende gehenden Krieg von 1870/71. Die Sorge um den Sohn, der das Unternehmen fortführen soll, sind mit ein Grund für den sich rasch verschlech- ternden Gesundheitszustand des Vaters. Die Umstände des Todes von Benedikt Ketterer sind durch einen Briefwechsel dokumentiert, den u.a. sein Sohn Emil sowie die Tochter Ka- roline mit Felix Ketterer via Feldpost führen. Die Familie versucht vergeblich, einen Urlaub des Sohnes zu erreichen, damit dieser seinen Vater nochmals lebend antrifft. Der Brief- wechsel gibt wertvolle Einblicke in den Alltag einer Furtwanger Familie in der zweiten Hälf- te des 19. Jahrhunderts: 44 | Die Ketterers Furtwangen, den 19. Sept. 1870 Lieber Felix Dein Schreiben vom 14. haben wir erhalten am 16. und ersehen dass ihr müsset nach Frankreich abmarschieren, dann nachher haben wir vernom- men ihr seiet jetzt in Kolmar. Vom Kriegs- schauplatz wissen wir jetzt ganz wenig, denn es steht wenig in der Zeitung. Was unser Ge- schäft anbelangt, das geht etwas besser und überhaupt alle Geschäfte. Mit dem Lehrjunge Anton Schmid bin ich ge- sinnt den Lehrvertrag abzuschliessen. dass ein Unternehmen wie die BKS seine Wettbewerbsfähigkeit entscheidend verbes- sern kann, wenn es sich zudem als Zulieferer positioniert. Die Chronisten sind sich einig, dass Benedikt Ketterer mit Blick auf seine frühe Gasuhrenfertigung der erste Fabrikant von Furtwangen war. Er beweist damit, dass es neben der Zeit mes sung Chancen gibt, auch Mess geräte anderer Art zu produzieren und zu verkaufen – bis hin zu Zählwerken für Gas- und Wasseruhren. Alle großen Furtwanger Uhrenfabriken gehen in der Folge ein – Ketterer Söhne über- lebt. Dies vor allem auch deshalb, weil Sohn Felix Ketterer die erfolgreiche Unterneh- menspolitik des Vaters nach seinem Tod im Jahr 1871 fortsetzt und optimiert. Felix Ketterer, unda- tiertes Foto, etwa aus Das Ende einer Ära: Im Jahr 1884 stirbt auch Martin Ketterer ... Wir arbeiten der Zeit des Krieges von 1870/71. streng an den bestell- ten Zählwerke. Der Gabriel und Emil arbeiten wirklich an Trom- peteruhren, wir haben einige Bestellungen dafür. Der Schreiner und Schnitzler arbeit verschiedene Muster auf Vorrath... Furtwangen, den 6 te. März 1871 Lieber Bruder! Ich ergreife die Feder mit zittriger Hand und zerstreuten Gedanken, Du wirst den Brief vom Vetter und vom Gabriel erhalten ha- ben, dass unser lieber Vater krank ist. Lieber Bruder, wenn Du kommen kannst so komme doch so bald wie möglich, unser Vater ist schwer krank, wir wissen nicht erlebt er den Morgen noch oder nicht. Seine Krankheit kommt von Kränkung her. Dass Du hast müssen in den Krieg, hat den Anfang genom- men... deine Schwestern Als Erster in Furtwangen die Monostruktur der Uhrenfertigung durchbrochen Im Rückblick lässt sich zu Leben und Wirken von Benedikt Ketterer festhalten: Er ist der Erste in Furtwangen und Umgebung, der die auf Uhren bezogene gewerbliche Mono- struktur zu sprengen vermag. Und er erkennt, Zwei Brüder aus dem Dorf Langenbach hat- ten einen Traum – den vom Uhrenhandel in England. Sie haben ihn sich mit großem Erfolg erfüllt. Und Furtwangen hat ihnen eine namhafte Fabrik zu verdanken. So en- det mit dem Tod von Martin Ketterer am 2. August 1884 eine Ära. Das Haus von Martin Ketterer erben drei Kinder seines Bruders Benedikt. An Martin Ketter er erinnern die in Portsea veräußerten Uhren, alle tragen sie die Marke „Ketterer & Co.“ auf ihrem Schild. Ebenso viele Schriftstücke und Unterschrif- ten, die er als Kirchenfonds- und Sparkas- senrechner geleistet hat. Ein Bildnis von ihm ist nicht bekannt, sein Wohnhaus aus dem Stadtbild verschwunden. Rechte Seite: Rechnung vom 26. 12. 1878 an den Gewerbeverein Furtwangen über 35 Uhren im Wert von 1.720 Mark, darunter eine Salonuhr und „10 große Regulateur in preisgekröntem Entwurf, 20 Stück Zugfederuhren, 3 Regulateur und 1 großer Monatsregulateur“. Mit einer Verlosung von Uhren im Rahmen einer Tombola stellte der Gewerbe- verein den Bau der neuen Uhrmacherschule und der Schnitzereischule sicher. Die Rechnung der BKS ist mit Medaillen und Preisdiplomen geschmückt. „Fabrikation von Regulateur und Kukuk-Uhren“ wird als Geschäftsfeld genannt, die Zulieferfunktion für den Gasuhrenbau ist noch nicht erwähnt.