Burgers Tätigkeit bei Siedle in Schönwald gibt Dr. Adolph Poppe, Lehrer der Technologie und Mathematik in Frankfurt am Main, in seinem Werk „Die Schwarzwälder Uhrenindustrie nach ihrem Stand im Jahre 1838“: Das Kupfer wird aus Ungarn, Rußland und Schweden bezogen, das Zink aus Preußen und das Zinn aus England. Drei Mann verarbeiten nach zuverlässigen Angaben jährlich 100 Zentner zu Glocken, Rädern und Zeigern. Ich besuchte zwei Gießhütten, die des Joachim Wehrle in Furtwangen, deren zwekmäßi- ge Einrichtung dem Besizer zur besonderen Ehre gereicht, und die des Vincenz Siedle in Tryberg. Die Flaschen für den Räderguß sind flacher, als die für den Glockenguß, auch braucht Wehrle für dieselben keine zwei Formhälften. Allemal 10 Formen werden auf einander gelegt; zwischen jede Form kommen 12 Räder. Bei jedem Guß füllt Wehrle 50 solcher Formen, mithin kann er 600 Räder auf einmal oder 2.400 in einem Tage gießen. Räder, Glocken, Zeiger u.s.w. werden nach dem Pfunde verkauft; der Preis eines Pfundes Räder wechselt zwischen 54 kr. und 1 fl. 3 kr. Das Formen geschieht auf folgende Art: Der Arbeiter nimmt eine mit Formsand gefüllte und getrocknete Flasche, setzt sie auf den Formtisch und legt die messingenen Räderformen darauf; nun deckt er eine zweite Flasche darüber, und füllt sie mit Sand aus; diesen preßt er in die Form, indem er eine Kanonenkugel darüber hin und herrollt; das Ganze ebnet er sodann mit einem Streicheisen. Wird nun der obere Rahmen abgeho- ben, so haben alle Räder sich vollkommen vertieft darin abgedrükt. Der Trockenraum befindet sich unmittelbar über dem Schmelzofen und wird von der Flam- me des letzteren bespült. Mit Hilfe eines kleinen Krahns wird der mit Flaschen beladene Wagen emporgewunden und auf einer Eisenbahn in den Trockenraum geschoben. In 3 Stunden sind die Formen trocken. Das Schmelzen selbst geschieht in Passauer Tiegeln, wovon das Stück, welches höchstens 12 Güsse aushält, 35 kr. kostet. Man feuert mit Holzkohlen, untermischt mit Tannenzapfen. Der Gießer benützt auch den in den Werkstätten der Uhrmacher abgehenden Messingfeilstaub, aus welchem er mit Hilfe eines Magneten vorsichtig alle Eisentheilchen absondert.“ Der Uhrenräderdreher Ein besonderes Augenmerk muss man weiter auf das Gewerbe des Uhrenräderdrehers legen, denn Josef Burger erwirbt mit dem Bauernhof in Schonach auch eine Drehbank samt Zubehör. Poppe schreibt dazu: „Der Räderdreher arbeitet für den Uhrmacher auf Bestellung; sein Geschäft Die ältesten erhaltenen Schriftstücke aus der Gründerzeit der Gießerei sind die Briefe des Bruders von Eugenia Burger. Siegmund Kuner schreibt 1860 und 1861 mehrfach aus Hatzfeld an: „Herrn Josef Burger, Gießer in Schonach, Amt Tri- berg Schwarzwald, Großherzogthum Baden“. ist, die rohen Uhrenräder und Glocken, welche er unmittelbar aus der Gießhütte bezieht, nach dem vom Uhrenmacher gegebenen Maaße rund und glatt zu drehen, wozu er sich einer gewöhnlichen Drehbank bedient. Erst der Uhrenmacher schnei- det die Zähne in die Räder ein.“ Die erworbene Drehbank hat Josef Burger sicher zu diesem Zweck eingesetzt und so den Leistungskatalog seiner Gießerei entsprechend erweitert. Letztlich ist es der erste Schritt hin zur Uhren bestandteilefabrik. Die Versammlungen der Gießer in Schönwald Über den Impuls für Josef Burgers Entschluss, 1856 eine Messinggießerei für Uhrenbestandtei- le zu begründen, lässt sich vortrefflich speku- lieren – doch ist auffallend, dass alle wichtigen Zusammenkünfte der Gießer des Schwarzwaldes in den 1840er- und 1850er-Jahren an seinem Arbeitsort in Schönwald stattfinden, die letzte 1855. Josef Burger wohnt diesen Versammlungen bei oder kennt die dort besprochenen neuen Fertigungsansätze durch die Schilderungen von Gießer Siedle. Wegweisend ist gleich die erste große Zu- sammenkunft im Jahr 1847: In Schönwald tagt im September der „Große Ausschuss“ des erst im Mai des Jahres gegründeten Uhrengewerbs- vereins. Es geht um die Frage, ob sich ein Gießer erst dann selbständig machen darf, wenn er mindestens sechs bis sieben Jahre Berufserfah- rung nachweisen kann. Weiter soll die Ausbil- dung zum Gießer geregelt werden. Das „Uhren-Gewerbsblatt für den Schwarz- wald“ berichtet am 28. September, der bekannte Gießer Salomon Siedle habe sich gegen eine Regelung bei der Ausbildung ausgesprochen, „weil es bisher nie der Fall gewesen sei, daß man Lehrlinge im Räder- und Glockengießen angestellt habe, sondern blos kräftige Arbeiter sogleich als Gießergesellen, indem dieß Geschäft gar keiner großen Vorübung bedürfe.“ Im Bericht zur Versammlung heißt es jedoch abschließend: „Es wäre nun blos zu wünschen, daß die Betreffenden sich so lange in zunftmäßi- gen Gießereien großer Städte üben würden, statt in den schlendrianmäßigen des Schwarzwaldes, wo nach 6 bis 7 Wochen langer Uebung weiter nichts mehr zu lernen ist. Da jedoch jenes nicht leicht zu erwarten ist, so wird es gut sein, wenn bei Zeiten in der zu errichtenden Musterwerkstatt ein geschickter Gießer angestellt werden wird.“ Mit der Musterwerkstatt ist jene gemeint, die in der Großherzoglich Badischen Uhrmacher- schule entstehen soll. Der Bericht lässt indes keinen Zweifel daran, dass es mit der Qualität vieler Gießhütten im Schwarzwald nicht zum Besten steht. Zur gleichen Zeit verabschiedet der Gewerbeverein eine Uhrengewerbsordnung. Sie regelt, welche Berufsgruppen sich dem Uhren- gewerbe zugehörig fühlen dürfen. Die Gießer fallen darunter. Im Paragraph 2 heißt es zudem: „Niemand darf irgend ein Uhrengewerbe selbst- ständig betreiben vor Antritt des Gemeindebür- gerrechts.“ 1856: Eröffnung der Gießerei | 43